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Guden Tach, da wärn mer:
mit Felix Culpa in Lönigen (Ostfriesland)
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Los ging es gegen 14 Uhr in Freds vollbepackter Limo auf der A 45, der Sauerlandlinie, wie wir hier sagen, Richtung Dortmund. Für gute Laune während der Fahrt sorgte die Musik von Adam und den Mickys, die Marco irgendwo ausgegraben hatte. Die Musikkassette der Hessischen Mundart Combo bietet ein buntes, musikalisches Sittengemälde der 70er Jahre, mit frivolen Anzüglichkeiten und ist uns eine große Hilfe, zum besseren Verständnis unserer Eltern. Der Hit "Uwe, Uwe, Uwe, schrie der Papa" hatte es uns besonders angetan. Er behandelt die Thematik des gemeinschaftlichen Fußball guckens, als großfamiliäres Ereignis. Mama, Papa, Oma, Opa und der Enkel verfolgen live im Fernsehen die Deutschlandspiele, während der WM in Mexiko 1970. Da bleibt natürlich kein Auge trocken. Als jedoch die letzte Strophe erklang, trauten wir zunächst unseren Ohren nicht und schauten uns verdutzt an. Was wir da hören mussten, konnten wir nicht gut heißen. Dort nämlich wird beschrieben, wie der italienische Gastarbeiter Antonio, der in Vatters Firma schafft, während des Halbfinalspiels Deutschland gegen Italien, plötzlich im gemütlichen Wohnzimmer der Familie auftaucht, um das Spiel mitzuverfolgen. Und wie es sich für einen waschechten italienischen Gastarbeiter in den 70er Jahren gehört, schlägt sein Herz natürlich für bella Italia. Das Spiel endete, wie wir alle wissen, mit einer 4:3 Niederlage der deutschen Nationalmannschaft, was Antonio in seiner Euphorie dazu veranlasste, dem Opa schelmisch an seinem Schlips zu ziehen. Diese Geste der Erniedrigung lässt den Opa richtig sauer werden und er vermöbelt den kleinen Italiener derart, dass Antonio sich schließlich in einem Krankenhaus wiederfindet und zwar eingepackt in "deutschem Gips", wie es in dem Songtext heißt. Pfui Teufel, das geht so nicht. Das ist definitiv nicht p.c. Aber ansonsten ist der Song ein echter Knaller.

Nach knapp vier Stunden Fahrt kamen wir im norddeutschen Lönigen, im FZ (steht für Freizeitzentrum) Rockhaus, an. Die Disko war sehr geräumig, die Tanzfläche ein bisschen tiefer gelegt und dahinter befand sich eine große Holzempore, die normalerweise als Sitzgelegenheit genutzt wird, die aber an diesem Abend als Bühne fungierte. An den Wänden hingen Schallplattencover von Jethro Tull, Jennifer Rush, der Lippi Single "Erna kommt" und eine Motorradlederjacke vom MC Feuervogel. Die Leute von Felix Culpa waren alle sehr nett und Christian, der Sänger, brachte uns leckere Pizza mit Nudel- und Kartoffelsalat. Die perfekte Mahlzeit, wenn man alkoholtechnisch gesehen, am Abend noch etwas vor hat. Der Soundcheck verlief zu unserer vollsten Zufriedenheit, danach wurde AC/DC gespielt und zwar in einer derartigen Lautstärke, dass einem das Trommelfell zu zerbersten drohte.

Gegen neun Uhr kamen die ersten Gäste. Es waren kleine Mädchen mit weiß- bzw. rosafarbenen Plastikhandtäschen, die sich von ihren Eltern bringen ließen. Sie hatten sich hübsch zurecht gemacht und für diesen Abend extra ihre Glitzergürtel und das Punk-Top von C&A aus dem Schrank geholt. An der Kasse fragten sie nach, welche Bands denn heute spielen, worauf der Geschäftsfüher der Disko antwortete: "Alles!". Besser hätte man das bunte Abendprogramm nicht zusammenfassen können.

Wir machten es uns im Backstageraum gemütlich und genossen das ein oder andere Köpi und die Musiker-Fachgespräche mit den anderen Bands. Der Dj des heutigen Abends, ein kleiner Mann aus dem Osten Deutschlands, was man unschwer an seinem stark sächsischen Dialekt erkennen konnte, verwöhnte unsere Ohren derweil mit Musik, die ich seit 15 Jahren nicht mehr gehört hatte. Es liefen: "Am Fenster" von City, "Verdamp lang her" von Bap, "Black Betty" von Ram Jam und der Deep Purple Klassiker "Smoke on the water", letzterer Song sowohl in der Studio, als auch in der Live-Version. Irgendwann im Laufe des Abends blieb Dj Horst jedoch an Metallica hängen und spielte fortan das ganze schwarze Album rauf und dann wieder runter. Auch das Lied "Die Besten sterben jung" von den blöden Onkelz hatte es ihm angetan, wir mussten es gleich zwei mal an diesem Abend ertragen. Verständlich, denn dieser Song ist schließlich die Hymne aller landjugendlichen Fahranfänger, die sich am Wochenende den BMW von Papi ausleihen, um damit die Dorfmädchen abzuschleppen und auf dem Nachhauseweg dann aus Frust gegen die Bäume fahren, weil es wieder einmal nicht geklappt hat. Von dieser Sorte junger Menschen gibt es ganz schön viele auf dem Land, wie man an den unzähligen Kreuzen, die die Gräben rechts und links der Landstraßen säumen, unschwer erkennen kann. Auf der Hitliste der Lieblingssongs, die sich 18 -25 jährige auf ihrer Beerdigung wünschen, steht diese Lied garantiert auf Platz eins, gleich dahinter kommt vermutlich irgend ein Song von Xavier Naidoo.

Als wir gegen 23 Uhr die Bühne betraten, waren zu unserer Überraschung doch rund 100 Gäste da, die vornehmlich hinter der Tanzfläche standen. Der Dj unterbrach Metallica und kündigte uns mit den Worten an: "Jetzt kommt eine Liveband, ich hoffe, ihr habt alle eine gute Stimmung mitgebracht. Viel Spaß mit der Band". Das war eine verdammt coole Ansage, um so verwunderlicher war es, warum keiner der Gäste daraufhin die Nähe der Bühne suchte. Wir spielten "Grüße aus dem Jammertal" und hatten unseren Spaß dabei. Über der Bühne hing ein riesiger Spiegel und so konnte man sich selbst beim Posen zugucken, ein völlig neues Erlebnis, das wir nicht missen möchten. Nach jedem Song wurde höflich applaudiert und ein- zweimal brach sogar ein bisschen Jubel aus. Der letzte Akkord unseres letzten Songs "Nachtschicht" war noch nicht ganz verklungen, da dröhnte wieder Metallica aus den Boxen und zwar doppelt so laut, wie wir waren.

Dj Horst machte noch schnell auf eine Abi Party am kommenden Wochenende aufmerksam und Felix Culpa stimmten schon mal ihre Instrumente. Ich dachte nur an die armen Abiturienten, die sich 13 Jahre quälen mussten und nun, da alles vorbei war, statt zu lustigem Kirmestechno ausgelassen zu feiern, mit der Musik ihrer Eltern belästigt werden. Das haben sie definitiv nicht verdient.

Felix Culpa gefielen uns sehr gut, sie rockten definitiv das Haus und man darf sich schon auf die demnächst erscheinende Veröffentlichung der Band freuen. Das Publikum mochte sie auch, nur gegen Dj Horst konnten sie sich nicht durchsetzen. Dieser drehte gleich nach ihrem letzten Song den Level auf 10 und übertönte mit Metallica die "Zugabe" Rufe des Publikums.

Die dritte Band des Abends schaffte es schließlich, einige Besucher auf die Tanzfläche zu locken. Meehanite spielten Indierock, mit einem leicht metallischen Einschlag und einer lieblichen Frauenstimme. Wenn die deutsch gesungen hätten, hätte sich so manche Chartband warm anziehen müssen und "Juli" könnten sich schon mal in "Dezember" umbenennen. Eine Frau mittleren Alters, dunkelbraun gebrannt, mit wasserstoffblonden Zotteln auf dem Kopf und hochhackigen Schühchen an den Füßen, war so aus dem Häuschen, dass sie spontan die Bühne erklomm. Dort oben tanzte sie ausgelassen in gogo-Manier und rief uns allen zu: "Ich fahr voll ab auf Rock". Da soll mal einer sagen, die Norddeutschen können nicht aus sich herausgehen. Nach dem Auftritt war Dj Horst wieder an der Reihe. Er spielte, na was wohl, richtig, "Enter Sandman" von Metallica, zum fünften Mal, übrigens.

Da wir alle keine Gitarren mehr hören konnten, musste nun unbedingt etwas geschehen. Marco erlöste uns schließlich, indem er sich wieder "Am Fenster" von City wünschte und schon war die Tanzfläche gut gefüllt. Er stürmte den Dancefloor und legte einen Ausdruckstanz aufs Parkett, der dem der weiblichen Tänzerinnen in nichts nachstand. Nun hatte Marco Blut geleckt und rannte ständig zum Dj; um sich irgend etwas bescheuertes zu wünschen. Er wollte sehen wie weit er gehen konnte und musste feststellen, dass alle seine Musikwünsche von Horst prompt erfüllt wurden. Trio hatten er leider nicht da, obwohl sich Großenkneten ja ganz in der Nähe befand und die Phudys konnte er auch nicht spielen, da diese CD geklaut wurde. So bekamen wir den "Holzmichel" von den Randfichten, Howard Carpendales "Hello Again" und allerlei weitere Absurditäten zu hören, die den Mischer ziemlich ärgerten. Er hätte Marco am liebsten erwürgt. Bei den Gästen hingegen kamen Marcos Musikwünsche bestens an. Besonders einer von ihnen, ein schnauzbärtiger Anfangvierziger, bekleidet mit einem Jeanshemd und Stiefeletten, unter denen die weißen Tennissocken hervor stachen, sang mit erster Mine lautstark mit und schwang dabei sein Flaschenbier, wie einen Taktstock, zum Rhythmus der Musik. Ein Song, den wir bis dato noch nicht kannten, der uns aber sehr entzückte hieß "Ich will ne Frau mit Arschgeweih", zur altbekannten Melodie von "Ich will ein knallrotes Gummiboot". Wir rätselten, wer dieses Stück verbrochen hat und einigten uns schließlich auf Micky Krause.

Auf unseren geliebten Ouzo, den wir uns nach einer anstrengenden Bühnenshow gerne einmal genehmigen, mussten wir vorerst verzichten, er war dem Thekenpersonal völlig unbekannt. Es gab nur Korn auf Eis oder mit Cola gestreckt. Irgendwie gelang es Fred, den Chef vom FZ so lange zu nerven, bis dieser sich daran erinnerte, irgendwo im Schrank noch eine Flasche Ouzo 12 versteckt zu haben. So kamen wir schließlich doch noch zu unserem geliebten Anisgetränk und waren glücklich.

Am Ende des Abends waren wir, von den übriggebliebenen Gästen, die nüchternsten, was uns auch nur selten passiert und nicht heißen soll, dass wir nicht ordentlich einen sitzen hatten. Die eine oder andere Schlägerei konnte vom Türsteher erfolgreich verhindert werden und so war es ein rundum gelungener Abend. Schade, dass wir in der kommenden Woche nicht dabei sein können, denn dann kommt ein Howard Carpendale Double ins Freizeitzentrum Rockhaus und es werden BH´s auf die Bühne fliegen, das zumindest hat uns der Chef des Ladens versprochen.

Bleibt zum Schluß nur noch zu sagen, dass wir uns schon darauf freuen, die Jungs von Felix Culpa im Oktober bei uns in Mittelhessen begrüßen zu dürfen.

Guden Tach, das warn mer.
Euer Protokoller von den ORAL FLIPPERS

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